Wahlprüfsteine von Hamburg traut sich was

Die Wahlprüfsteine für die Bürgerschaftswahl von hamburgtrautsichwas beziehen sich auf die Frage, was die zur Wahl stehenden Parteien zur Verbesserung der Lebenssituation von Hamburger*innen, die auf grundsichernde Sozialleistungen angewiesen sind, zu tun beabsichtigen. Wir wissen selbstverständlich, dass sich die Handlungsmöglichkeiten danach unterscheiden, ob die Parteien Regierungsmacht bekommen oder in der Opposition sind.

Betrachten wir exemplarisch einige Antworten von SPD und GRÜNEN als den bisherigen Regierungsparteien, fällt uns folgendes auf. Die SPD antwortet überdurchschnittlich häufig mit dem Hinweis, dass unsere Frage Bundesrecht betreffe. Wir sollen wohl verstehen, dass demnach an diesem Punkt in Hamburg nichts zu machen sei. Außerdem findet die SPD, dass schon jetzt eigentlich alles gut geregelt ist in Hamburg. Spricht hier eine Partei, die gestalten will, oder antwortet hier die zuständige Behörde? Betrachten wir uns nur die Aussage zur Erstausstattungspauschale. Die SPD verweist auf Bundesrecht und fachliche Weisungen dazu aus Hamburg. Wie bitte? Keine Absicht, diese fachlichen Weisungen so ändern zu lassen, dass die Leute mehr Geld bekommen?

Da ist der Koalitionspartner weiter. Die GRÜNEN geben zumindest zu, dass die Pauschale zu niedrig ist und schon gar nicht für nachhaltige Anschaffungen reicht. Bezüglich der Stromkosten bleibt die SPD ebenfalls ganz konservativ beim Bestehenden und empfiehlt allen, die ihre Stromrechnung nicht zahlen können, sich doch an die zuständigen Ämter (Jobcenter zum Beispiel) zu wenden, um dort Kredite zur Schuldenübernahme zu beantragen. Grundsätzliche Veränderungen? Fehlanzeige. Der gegenwärtige Koalitionspartner verspricht zumindest, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Stromkosten nicht mehr über den Regelsatz abzudecken sind. Bisher jedenfalls haben wir nicht den Eindruck, dass sich die GRÜNEN gegenüber der SPD da durchsetzen konnten. Auch in der Frage der Sanktionen im SGB II tut die SPD so, als könne ein von ihr geführter Senat in der Gesellschafterversammlung von team.arbeit.hamburg nichts tun. Sie verweist wieder auf Bundesrecht und klärt uns auf, dass – wer hätte es gedacht – das Bürgergeld kein bedingungsloses Grundeinkommen ist und am Prinzip des Forderns festzuhalten sei. Von Armen lässt sich schließlich leicht fordern, nicht aber von Reichen.

Der Koalitionspartner ist da etwas mutiger, sieht Sanktionen kritisch und anerkennt wenigstens die diesbezüglichen Urteile des Bundesverfassungsgerichts, was man gegenwärtig – auch auf Bundesebene – keineswegs in den Parteien, die sich der so genannten demokratischen Mitte zurechnen, voraussetzen kann.

Was den ÖPNV angeht, versprechen die GRÜNEN ohne jeglichen Klartext eine Weiterentwicklung des Preissystems, das soziale Teilhabe und Verkehrswende verbindet. Die SPD lobt erneut den Staus quo, also auch die Erhöhung des Preises für Sozialleitungsberechtigte, aber vor allem ihre Familienfreundlichkeit beim kostenlosen Schüler*innenticket und verspricht Senior*innen die schrittweise Einführung eines speziellen Tickets. Als Deutschlandticket? Zu welchem Preis? Hamburgtrautischwas bevorzugt demgegenüber kostengünstige bis kostenfreie Angebote für ALLE – und nicht sortiert nach potenzieller Wählerbasis.

Auch VOLT und FDP haben geantwortet. Bei VOLT anerkennen wir die Transparenz und Ehrlichkeit der Aussage, das es zu vielen sozialen Fragen – außer ÖPNV und Wohnen keine Beschlusslage gibt. Bei der FDP hingegen gibt es diese. Sie sind gekennzeichnet durch Ablehnung von Forderungen, die über eine „maßvolle Unterstützung“ hinausgehen – das Bundesverfassungsgericht spricht immerhin von einem unverfügbaren soziokulturellem Existenzminimum. Wie Sanktionen „ausgewogen“ sein sollen und Leistungsberechtigte unterstützen sollen, bleibt Geheimnis der FDP. Wenig verwundert sind wir jedoch, dass die FDP auf das Märchen des „ vermeidbaren Überverbrauchs“ von Strom und Energie in Haushalten von Sozialleistungsbeziehenden anspielt, sind wir doch inzwischen gut darüber informiert, dass es die Lebensweise und die wirtschaftlichen Investitionen von Reichen sind, die unsere Lebensgrundlagen zerstören.

Immerhin haben diese Parteien auf unsere Fragen geantwortet, und alle Interessierten können sich in die Antworten vertiefen und diese als Entscheidungshilfe für ihr Wahlkreuz nutzen. Wir wissen, dass Koalitionen Kompromisse bedeuten, aber wir wissen auch, dass SPD und GRÜNE sich bisher nicht durch die Unterstützung der Interessen von Menschen, die auf grundsichernde Leistungen angewiesen sind, hervorgetan haben. Die Parteien müssen durch starke außerparlamentarische und parlamentarisch vertretene Kräfte an diese bisher vernachlässigten Interessen erinnert werden. Soziale Ungleichheit und Armut müssen auch in Hamburg bekämpft werden, und auch in Hamburg gibt es politische Möglichkeiten, die Lebensverhältnisse von Geflüchteten, Bürgergeldempfänger*innen und anderen Sozialleistungsberechtigten zu verbessern.